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Einseitige Kopfschmerzen, die so heftig sind, dass sie Ihnen im wahrsten Sinn des Wortes die Tränen in die Augen treiben: Clusterkopfschmerzen sind selten und nicht leicht zu diagnostizieren. Lesen Sie hier, was typisch ist für die Krankheit, die auch als Bing-Horton-Syndrom bezeichnet wird. Und wie Sie die Beschwerden behandeln können.
In diesem Artikel erfahren Sie:
Mediziner bezeichnen damit eine der schwersten Schmerzerkrankungen überhaupt. Die Beschwerden sind unerträglich, sie können weitaus intensiver sein als die einer Migräne. Typisch für die Krankheit ist, dass die Anfälle periodisch gehäuft auftreten (englisch cluster: Häufung). Meist dauert die Periode, in der Patienten bis zu acht Attacken pro Tag erleiden, einige Wochen bis mehrere Monate. Die Beschwerden treten vor allem im Frühjahr und Herbst auf.
Clusterkopfschmerzen sind auch als Bing-Horton-Syndrom bekannt. Die Krankheit ist nach ihrem Entdecker, dem Neurologen Robert Bing, und dem Begründer der modernen Kopfschmerzforschung, Bayard Taylor Horton benannt.
Die Beschwerden werden zu den sogenannten primären Kopfschmerzen gezählt, den Kopfschmerzen ohne andere Grunderkrankung. Nur etwa einer von 1000 Menschen leidet darunter. Bei den meisten Patienten tritt die Krankheit vor dem 30. Lebensjahr auf, sie kann aber in jedem Alter auftreten. Männer sind eher betroffen als Frauen.
Ärzte unterscheiden zwei Arten von Clusterkopfschmerzen: Bei den episodischen gibt es Ruhephasen von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Bei den chronischen dauern die Ruhephasen weniger als vier Wochen, und dieser Zustand hält länger als ein Jahr an. Wenn Sie beide kennen, wundern Sie sich nicht: Es kann passieren, dass bei Patienten die Art wechselt.
Bisher ist nicht genau bekannt, was die Ursachen des Bing-Horton-Syndroms sind. Wissenschaftler haben festgestellt, dass offenbar ein bestimmtes Areal im zentralen Nervensystem, der Hypothalamus, eine Rolle spielt. Dieser Bereich reguliert Funktionen wie Körpertemperatur, Blutdruck, Schlaf und die Freisetzung von Hormonen. Bei den Betroffenen ist er stärker aktiviert als bei Gesunden.
Eine weitere Ursache kann eine Erweiterung der Blutgefäße sein, die Gehirn und Gesicht versorgen. Das übt Druck auf den Trigeminusnerv aus, der Empfindungen vom Gesicht auf das Gehirn überträgt. Außerdem scheint sicher, dass die Attacken mit einer plötzlichen Freisetzung von Histamin oder Serotonin im Körper in Verbindung stehen.
Der wichtigste Auslöser für die Krankheit ist die Jahreszeit – die meisten Patienten haben im Frühjahr und Herbst einen Anstieg an Attacken. Erstaunlicherweise scheint es Trigger zu geben, die nur in der Beschwerde-Phase Anfälle auslösen. Das gilt zum Beispiel für Nitroglyzerin (ein Arzneistoff, der die Gefäße erweitert), Alkohol und Nikotin. Auf sie reagiert der Körper während der Clusterperiode empfindlicher. Versuchen Sie, diese Stoffe zu meiden.
Außerdem können flackerndes oder grelles Licht, große Höhen, anstrengende Aktivitäten, heißes Wetter, heiße Bäder und die Änderung der Schlafgewohnheiten zur Entstehung der Anfälle beitragen. Auch hier können Sie selbst aktiv werden, um Attacken zu verhindern.
Bestimmte Lebensmittel oder Zusätze können nach Ansicht von Ärzten eine Rolle bei der Entstehung der Clusterkopfschmerzen spielen. Dazu gehören Nüsse, Kaffee, eingelegte bzw. marinierte Lebensmittel, Meeresfrüchte und Glutamat. Letzteres ist sehr weit verbreitet (es steckt zum Beispiel in Käse, Soja-Soße, Hefe-Extrakt und Tomatenmark, ist aber auch in vielen Fertigprodukten enthalten (https://www.dge-sh.de/geschmacksverstärker.html).
Produkte mit Tyramin, Nitraten und Histamin können ebenfalls Attacken begünstigen. Die Aminosäure Tyramin steckt unter anderem in Hering, Rinderleber, Champignons, gealtertem Käse und Sauerkraut. Nitrate finden sich z.B. in Blattgemüse wie Mangold und Kopfsalat, Roter Bete, gepökelten Fleischwaren und Schnittkäse. Zu den Lebensmitteln mit hohem Histamingehalt schließlich gehören Makrele, Gouda, geräucherter Schinken, Rotwein und Bier.
Auch der Lebensstil kann ein Faktor sein. Wissenschaftler vermuten, dass Stress eine Rolle spielt, auch wenn es keine Studien gibt, die dies belegen. Außerhalb einer akuten Schmerzphase können Ihnen Entspannungsübungen wie Autogenes Training oder Meditation, aber auch moderater Sport helfen, zur Ruhe zu kommen. Probieren Sie einfach mal aus, was Ihnen gut tut.
Die Beschwerden sind so heftig, dass sie für die Betroffenen kaum zu ertragen sind. Wie schlimm es ist, erkennt man daran, dass die meisten Patienten ihre Beschwerden auf der Schmerzskala von eins bis zehn bei neun oder zehn einordnen.
Was die Krankheit noch belastender macht: Es dauert oft lange, bis die Ärzte sie diagnostizieren. Im Schnitt vergehen acht Jahre! Für viele Patienten bedeutet das eine lange Schmerzodyssee, bis sie wissen, was ihre schweren Kopfschmerzen verursacht und wie sie sie behandeln können. (Wann zum Facharzt?)
Das Bing-Horton-Syndrom wirkt sich auf das gesamte Leben der Patienten aus. Traurige Folge: Viele Betroffene leiden auch unter Angststörungen und Depressionen, sie sind mutlos und verzweifelt und ziehen sich immer mehr zurück. Das brachte der Krankheit den furchtbaren Beinamen Suizid-Kopfschmerz ein.
Wenn Sie eine solche Odyssee durchgemacht haben: Scheuen Sie sich nicht, sich seelsorgerische oder psychologische Hilfe zu holen. Auch Selbsthilfegruppen bieten Beistand. Sie müssen diese Krankheit nicht allein durchstehen! Angst vor der nächsten Attacke kann die Beschwerden nämlich noch verschlimmern. Der Bundesverband der Clusterkopfschmerz-Selbsthilfegruppen bietet Betroffenen Hilfe.
Zu späte Diagnosen und unwirksame Behandlungen können die Qualen der Patienten verlängern, deshalb ist es wichtig, den richtigen Arzt zu finden (Hier finden Sie einen Experten in Ihrer Nähe). Wenn Sie vermuten, dass Sie unter dem Bing-Horton-Syndrom leiden, vereinbaren Sie am besten einen Termin in einem Kopfschmerzzentrum oder bei einem Neurologen, der auf Kopfschmerz spezialisiert ist.
Der Arzt wird eine Computertomografie oder eine Kernspintomografie Ihres Kopfes durchführen und Sie sehr genau nach Symptomen befragen, um Migräne oder auch Trigeminusneuralgie (eine chronische Schmerzerkrankung des Trigeminusnervs) auszuschließen.
Heilbar ist die Krankheit bisher leider nicht, obwohl im Internet immer wieder Informationen über neue Therapie-Möglichkeiten kursieren. Bei diesen ist allerdings Vorsicht geboten, denn sie sind in der Regel nicht wissenschaftlich überprüft. Einige können sogar gefährlich sein. Wenden Sie sich deshalb immer an einen Facharzt für Neurologie.
Die gute Nachricht ist: Man kann das Bing-Horton-Syndrom gut behandeln. Sehr wirkungsvoll ist das Inhalieren von 100 Prozent reinem Sauerstoff gleich zu Beginn der Schmerzen. Das geschieht mit Hilfe einer sogenannten Sauerstoff-Hochkonzentrationsmaske. Eine Behandlung dauert 15 bis 20 Minuten und wirkt bei etwa 78 Prozent der Patienten. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten.
Der Arzt kann Ihnen auch ein Nasenspray mit den Arzneistoffen Sumatriptan bzw. Zolmitriptan verschreiben. Diese Mittel verengen die Blutgefäße, was die Schmerzen lindern kann. Zudem kann er Ihnen einen Pen verordnen. Damit können Sie die Stoffe injizieren, sobald die Schmerzen einsetzen. Gute Erfahrungen haben Mediziner zudem mit Kortikoiden (Nebennierenhormone) gemacht. Diese Mittel dürfen allerdings nur für eine kurze Zeit eingenommen werden. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten, welches die am besten geeigneten Mittel für Sie sind.
Frei rezeptfreie Schmerzmittel haben bei Clusterkopfschmerzen meist nur wenig bis keine Wirkung. Der Leidensdruck durch Migräne hingegen lässt sich mit rezeptfreien Präparaten sehr gut behandeln, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien gezeigt haben.
Tatsächlich sehen Mediziner in der Prophylaxe die größeren Chancen als in der Behandlung selbst. Ziel ist, die Attacken zu verhindern. Zum Vorbeugen werden unterschiedliche Arten an Medikamenten eingesetzt. Allerdings hilft nicht jedes Mittel allen Patienten zu 100 Prozent. Die meisten verringern aber zumindest die Häufigkeit der Anfälle.
Dazu gehören:
Der Neurologe wählt für Sie die Substanz, die für Ihren persönlichen Verlauf passend ist. Zum Beispiel werden bei episodischen Clusterkopfschmerzen andere Mittel verwendet (sogenannte Kalziumantagonisten) als bei chronischem Verlauf (hier wird meist Lithium eingesetzt). Die Ergebnisse sind vielversprechend: Zwei Drittel der Patienten erklären, dass ihr Clusterschmerz nach der Behandlung um 75 Prozent besser geworden ist. Wenn Sie Lithium bekommen, achten Sie darauf, Ihren Blutserumspiegel regelmäßig überprüfen zu lassen.
Eine sehr schnelle Wirkung können Sie bei der Behandlung nicht erwarten. Meistens dauert es etwa eine bis zwei Wochen, bis die Medikamente zu wirken beginnen. Für die Zwischenzeit verschreiben Ärzte oft hochdosiertes Kortison.
Bei sehr wenigen Patienten, die unter besonders schweren chronischen Verläufen leiden, wirkt die Behandlung mit Medikamenten nicht. Dann gibt es die Möglichkeit einer Operation. Als wirksam gilt zum Beispiel eine elektrische Stimulation des großen Hinterhauptnervs (Nervus occipitalis major).
Dieser Eingriff wird als Okzipitale Nervenstimulation (ONS) bezeichnet. Dabei werden dem Patienten bei örtlicher Betäubung winzige Stimulationselektroden unter die Haut am Hinterkopf gesetzt. Mit diesen Elektroden wird der große Hinterhauptnerv stimuliert. Patienten spüren das als Kribbeln, das sie als angenehm empfinden. Sie können die Stärke der Stimulation mit einer Fernbedienung selbst steuern. Es gibt eine Testphase von fünf bis 14 Tagen. Falls die Behandlung wirkt, bekommen die Patienten in einer zweiten Operation (diesmal in Vollnarkose) einen Impulsgeber unter die Bauchdecke implantiert.
Andere Operationen, etwa die Deaktivierung des Trigeminusnervs, sind dagegen weniger zu empfehlen. Als Nebenwirkung droht dauerhafte Taubheit im Gesicht.
Kaum eine Schmerzart ist schlimmer und schwerer zu ertragen als die Clusterkopfschmerzen. Das gab der Krankheit auch den Beinamen „Suicide Headache“ (Selbstmord-Kopfschmerz). Noch können Wissenschaftler nicht ganz sicher sagen, was ihre Ursachen sind. Eine Rolle spielt vermutlich der Hypothalamus, die Region im Gehirn, die unter anderem für das Gefühl im Gesicht zuständig ist.
Heilen kann man die Erkrankung bisher leider nicht, aber es gibt viele Möglichkeiten, sie zu behandeln. Etwa mit reinem Sauerstoff, den die Patienten einatmen, aber auch mit Nasensprays, die die Blutgefäße verengen. Mediziner setzen aber vor allem auf Vorbeugung. Sie verschreiben Medikamente, die die Blutgefäße entspannen und Entzündungen der Nerven verringern. Die Erfolgsaussichten sind gut: Drei Viertel der Patienten fühlen sich hinterher deutlich besser.
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